Als Kampagne „Wir sind alle LinX“ stellen wir uns gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus. Ebenso beobachten und kritisieren wir die Repressionen, die gegen linke Bestrebungen insgesamt gerichtet sind, ob Klimabewegung, feministische Aktionen oder den kurdischen Freiheitskampf. Dabei haben wir stets den Anspruch an uns gehabt, spektren- und strömungsübergreifend zu handeln. Nicht zuletzt ist dies natürlich dem geschuldet, dass wir, anders als festere Organisationen mit ausgearbeiteten Standpunkten, aus verschiedenen Strömungen und Bewegungen der Linken kommen und somit keine gemeinsame Position zu jedem Thema finden werden
oder können.

 

Der Hauptgrund für diesen Anspruch liegt allerdings in unserer politischen Arbeit. Wir beschäftigen uns mit Fällen der staatlichen Repression gegenüber Aktivist:innen, insbesondere Antifaschist:innen. Gerade in diesen akuten Situationen gab es, unserer Einschätzung nach, immer die unausgesprochene “Regel”, dass Kategorien wie “Anarchistisch oder Kommunistisch” und “Antiimperialistisch oder Antideutsch” keine erhebliche Rolle spielen. Denn: unserer Auffassung von Antirepressionsarbeit nach, zählte hier immer unsere ungebrochene Solidarität gegen das Vorgehen der Repressionsorgane (Bullen, Staatsanwaltschaft, Gerichte, Knäste…). Gerade im Hinblick auf den derzeitigen Zustand der Linken.

 

Die Kampagne agiert hauptsächlich in Leipzig, demnach möchten wir uns mit diesem Statement auch primär an hier aktive Linke richten. 

 

Dass die “Fronten” in Leipzig zwischen Antideutschen und Anti-Imperialist:innen verhärtet sind, ist klar. Auch ist klar, dass sich die Positionen seit dem 07. Oktober 2023 noch weiter auseinander bewegt haben. Mit diesem Statement möchten wir allerdings keine Stellung zu dem aktuellen Krieg in Palästina und Israel beziehen und unserem Anspruch einer spektrenübergreifenden Antirepressionskampagne weiterhin gerecht werden. Stattdessen wollen wir den Umgang mit den sich verschärfenden Repressionen gegenüber palästinasolidarischen Linken thematisieren, und eine Kritik der gegenwärtigen Zustände formulieren. Denn wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Repressionen, die linke Aktivist:innen treffen, verurteilt werden müssen und dass die Betroffenen einen solidarischen Umgang verdienen. Von diesen Grundsätzen ist in den letzten Monaten aber wenig übrig geblieben.

 

Sich zu wünschen, dass Demonstrationen, welche primär migrantische Linke organisieren, mit Repressionen überzogen werden oder sogar, dass “die Bullen mal richtig reinknüppeln”, hat in unseren Augen nichts mehr mit linksradikalen Ansichten zu tun. Irrelevant, ob die Positionen, für welche auf die Straße gegangen werden, exakt den eigenen entsprechen oder nicht. In einer antikapitalistischen Linken braucht es immer eine abolitionistische Perspektive! Denn Repressionsorgane, wie unter anderem eben die Polizei, sind letzten Endes diejenigen, welche die menschenfeindlichen Interessen des kapitalistischen Staates durchsetzen. Sich also zum einen aktiv zu wünschen, dass linke Demonstrationen von Repressionen überzogen werden und zum anderen laut “ACAB”-Parolen auf der nächsten Demo anzustimmen, ist inkonsequent und unsolidarisch.

 

Auch das Fordern von Verboten gegen linke Organisationen, die den eigenen Standpunkten nicht entsprechen, wie beispielsweise von Handala Leipzig, ist unvereinbar mit jeder linker Haltung und Praxis. Neben dem aktiven Beitrag zur Kriminalisierung meist migrantischer Linker, wird damit repressives Vorgehen des Staates legitimiert und herbeigewünscht, was früher oder später zu verschärften Repressionen gegen die gesamte Linke führen wird.

 

Gleichzeitig müssen wir als Kampagne an dieser Stelle auch Selbstkritik üben und die eigene Arbeit kritisch hinterfragen. Bei Repressionen, die in letzter Zeit insbesondere palästinensische oder Palästina-solidarische Aktivist:innen traf, waren wir ebenso still.

 

Vor einigen Wochen hat die Berliner Sparkasse das Konto der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ praktisch eingefroren. Die jüdische Stimme ist eine der größten Organisationen jüdischer Menschen in Deutschland und setzt sich für einen „dauerhaften und lebensfähigen Frieden“ in Israel-Palästina ein. Der Forderung, eine vollständige Liste mit Namen und Adressen aller Mitglieder vorzulegen, wurde sich widersetzt, woraufhin das Konto nun gekündigt wurde. Die Sparkasse wirft der Organisation vor, gegen „die Ethik der Bank“ verstoßen zu haben. Mal abgesehen von der grundsätzlichen Frage, was das für eine „Ethik“ sein soll, die die Sparkasse vertritt, ist besonders perfide an diesem Vorwurf, dass die Sparkasse gleichzeitig die Konten rechtsextremer Parteien, wie ‚die Heimat‘ und der AfD verwaltet.

Ein Grund für die Repressionen gegen die Jüdische Stimme ist ihre Rolle als offizielle Veranstalterin des Palästinakongresses, welcher am Wochenende vom 12. bis 14. April in Berlin hätte stattfinden sollen. Dazu kam es aber nicht, da die Cops, die mit einem Aufgebot von 2500 Einsatzkräften das Wochenende über vor Ort waren, bereits nach weniger als einer Stunde den Veranstaltungsort stürmten. Im Anschluss wurde der Kongress komplett verboten. Begleitet wurde das Ganze durch zahlreiche Einreise- und Betätigungsverbote gegenüber Speaker:innen, sowie mehreren Festnahmen. Während in Leipzig der Antirepressionskongress stattfindet, wird auf die Demonstrationen in Solidarität mit dem Palästina Kongress mit brutaler Polizeigewalt reagiert. Auch das Protestcamp, dass sich aus dem Widerstand gegen das Verbot gebildet hat, wurde so gewaltsam aufgelöst, dass mehrere Aktivist:innen ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Ein weiteres Beispiel unter vielen sind die Hausdurchsuchungen in Berlin bei der Organisation ZORA im Dezember letzten Jahres. Dabei wurden fünf Wohnungen sowie die Räumlichkeiten des Interbüros und des Café Karanfil gestürmt. Der Vorwurf hierfür waren palästinasolidarische Äußerungen und speziell die auf einem Flyer ausgedrückte Solidarität mit dem inzwischen verbotenen Gefangenennetzwerk Samidoun. Insgesamt war ein besonders hohes Aufgebot von 170 Cops im Einsatz.

Hausdurchsuchungen stellen immer einen besonders schweren Eingriff in die Privatsspäre der Betroffenen dar und haben das Ziel sie einzuschüchtern und damit zum Schweigen zu bringen. Gerade deswegen ist eine erstmal uneingeschränkte Solidarität so wichtig – insbesondere bei einem Ausmaß wie an diesem Tag. Reaktionen, wie sie in Leipzig nachzulesen waren, und die von einem Applaudieren der Cops bis zu einem Lustigmachen über die Größe der Solidaritätsdemo reichten, sind unserer Meinung nach völlig fehl am Platz.

In all diesen Fällen haben wir es verpasst, uns öffentlich zu äußern und die Plattform der Kampagne entsprechend zu teilen. Das war nicht nur unreflektiert, bequem und inkonsequent, sondern allem voran unsolidarisch. Wir bereuen dies sehr.

Wir möchten unserem eigenen Anspruch wieder gerechter werden,und tatsächlich spektrenübergreifende Antirepressionsarbeit in den Fokus rücken und praktizieren.

Dass die Linke sich noch nie in allen Standpunkten einig war oder sein wird, steht fest. Und diese inneren Diskurse und Diskussionen sind ein wichtiger Bestandteil der linken Bewegung. Allerdings ist es insbesondere im Angesicht der aktuellen realpolitischen Entwicklungen, wichtiger denn je, solidarisch miteinander umzugehen. 

Wir befinden uns in Sachsen in einem von drei Bundesländern, in dem es nicht unrealistisch ist, dass die AfD nach den kommenden Landtagswahlen mindestens eine Sperrminorität erhalten wird. Eine geeinte Bewegung aufzubauen und zu stärken, zumindest in Repressionsfällen (seien es Maßnahmen am Rande von Demos, Polizeigewalt oder Hausdurchsuchungen) darf im Angesicht dieser aktuellen realpolitischen Entwicklungen und in dem Kampf für eine linke Utopie nicht in den Hintergrund rücken. 

Deswegen: Lasst uns den Repressionsorganen nicht in die Karten spielen. Solidarität mit allen von Repression betroffenen Linken!

Für eine spektrenübergreifende Solidarität!

#wirsindallelinx
#wirsindalleantifa